Voilà, Derrida - Dekonstruktionen: Alles ist Text
Voilà, Derrida - Dekonstruktionen - manch einer mag sich fragen, was es mit dieser Dekonstruktion auf sich hat. Nüchtern formuliert ist die Dekonstruktion eine literaturwissenschaftliche/ philosphische Verfahrensweise zur Werkinterpretation, die von Jacques Derrida vor etwa 30 Jahren geprägt wurde.
Aber weshalb verwendet Gerten Goldbeck diesen Begriff hier und heute?
Zunächst einmal soll hier deutlich gemacht werden, dass Dekonstruktion nicht mit Destruktion gleichgesetzt werden darf. Nicht um Zerstörung geht es, aber auch nicht um dessen Pendant. Nicht um These und Antithese. Denn das vermeintlich Andere ist in einem Dualismus immer schon vorgeformt durch sein Pendant, von dem es sich niemals wirklich lösen kann. Nicht um Zerstörung also und auch nicht um so etwas wie Schöpfung geht es, sondern um eine Verfahrensweise, die sich aus den Zwängen dieses Dualismus befreien will, aus Dualismen überhaupt. Stattdessen geht es um vernetztes Denken, um Vielfalt der Blick- und Denkrichtungen. Darum, immer wieder vermeintlich sichere Positionen zu hinterfragen.
A propos Positionen: Immer wieder ist von künstlerischen Positionen die Rede, oft genug wird gar der Künstler selbst mit einer Position assoziiert, wie ein unerschütterlicher Fels in der Brandung der quälenden Vielfältigkeit künstlerischen Schaffens. Wenn es Gerten Goldbecks Art zu denken zuließe, dann stünde es dieser Haltung diametral gegenüber. Aber so denkt sie eben nicht. Im Gegenteil! Nein, nicht im Gegenteil, sondern eben ganz anders.
„Ich kann doch nichts erfinden“, hört man Gerten Goldbeck des öfteren sagen. Und damit hat sie recht und auch wieder nicht. Denn was sie benutzt für Ihre Arbeit, in ihrem philosophischen und künstlerischen Tun, ist alles schon da. Die Bücher und materiellen Fundstücke ebenso wie Wörter und Sätze die sie auffindet, entbindet und in anderen Verweiszusammenkünften anordnet. Wenn Gerten Goldbeck künstlerisch arbeitet dann fügt sie Textteilchen zusammen, auch wenn diese gerade in Form von Fotos oder anderen Dingen daherkommen, wie zum Beispiel auch Büchern.
Nehmen wir die Bücher, wie sie in den hier gezeigten Arbeiten zu sehen sind: Sind sie zerstört? Jedenfalls zerschnitten. Nicht aber verbrannt, ausgemerzt und vernichtet. Denn dann wären sie ausradiert, vertilgt, also den Blicken auf immer entzogen. So aber sind sie gegenwärtig, in einem anderen Aggregatzustand.
Es bleibt dabei ein Unbehagen, ja ein Schrecken angesichts zerschnittener Bücher und wir sind gezwungen, sie nun ganz anders zu lesen…
Und diese Verrückung des Betrachterblicks ist in das künstlerische Verfahren der Dekonstruktion eingeschrieben. Es ist Gerten Goldbecks Verfahren. Sie hat es sich nicht ausgesucht.
Es bestimmt vielmehr ihr Denken.
Überall findet sie Verweise und alles kann man doch so, oder so oder vielleicht auch noch einmal ganz anders zusammensetzen und dann hat es wieder ganz neue Bedeutungsaspekte.
Ein Leben in dem es kein Ankommen gibt. Und das ist gut so.
Für uns als Betrachter und besonders für Gerten Goldbeck, die einfach nicht anders kann als immer neues zu, nun, zu dekonstruieren.
Voilà!
Jörg Osterwald
Text anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Voilà, Derrida!" in der Produzentengalerie Schauraum Hamburg